Chemieunfall Ladestraße Lindau
Großalarm nach Chemie-Unfall
13 Menschen wurden am Donnerstag in der Ladestraße zum Teil schwer verletzt. Beim Öffnen eines Lkw, der verschiedene Chemikalien geladen hatte, traten giftige Dämpfe aus. 50 Menschen mussten vorübergehend evakuiert werden, 250 Einsatzkräfte aus dem ganzen Landkreis und aus Vorarlberg waren vor Ort. Gefahr für den Bodensee bestand keine.
Am Donnerstag gegen 10 Uhr öffnete ein Arbeiter einer Spedition den Laderaum eines Lkw. Er nahm einen ätzenden Geruch wahr, bekam erhebliche Atembeschwerden, litt an Übelkeit und Hautreizungen und musste in dei Intensivstation des Krankenhauses eingeliefert werden. Großalarm wurde ausgelöst. Weitere nachrichten ließen nichts Gutes vermuten: Ein Lastwagenfahrer, der kurz vorher direkt neben dem betroffenen Lastwagens seinen Lkw beladen hatte, konnte vor dem Dieboldsberg-Tunnel auf der B31-neu gerade noch rechts an den Straßenrand fahren, bevor er ohnmächtig wurde. Per Hubschrauber wurde er nach Friedrichshafen ins Krankenhaus geflogen. Ein anderer Lkw-Fahrer der selben Spedition musste in Füssen die Fahrt abbrechen und ins Krankenhaus.
"Wir wussten nicht, um welche Chemikalie es sich handelt, deshalb war höchste Vorsicht angesagt", erklärte der Einsatzleiter, Kreisbrandrat Horst Miller. Über Radio und Fernsehen wurde die Bevölkerung gewarnt, der Unfallort musste großräumig abgesperrt werden.50 Bewohner aus der Ladestraße und der Siedlung beim Standbad Eichwald wurden von Oberbürgermeisterin Petra Seidl evakuiert und in die Turnhalle nach Reutin gebracht.
Mit einer "Wasserwand" wurde unterdessen an der Unfallstelle versucht, das Austreten einer Giftgaswolke zu verhindern. Zwölf Feuerwehrmänner mit speziellen Schutzanzügen und Atemschutzgerät mussten gemeinsam mit einem Chemiker eines Spezialzuges der Vorarlberger Feuerwehr vor Ort untersuchen, um welche Chemikalie es sich handeln könnte und den betroffenen Lkw entladen. Im Einsatz waren 250 weitgehend ehrenamtliche Helfer der Feuerwehren des Landkreises, des THW, des Bayerischen Roten Kreuzes und Beamten der Polizei.
Doch die Suche nach dem giftigen Stoff war problematisch. Erst gegen 13 Uhr konnte eine undichter 30-Liter-Behälter gefunden werden. Der Inhalt: Heptanol, "schlechter Alkohol" wie sich eine Einsatzkraft vereinfacht ausdrückte. rund 10 Liter der Flüssigkeit waren ausgetreten.
Inzwischen wurden zwei Fachleute von der Werksfeuerwehr des Chemieunternehmens aus Burghausen, von dem die Behälter stammen, mit dem Helikopter eingeflogen. Geöffnet wurde nun eine Pallette mit weiteren Behältern, deren Inhalt mit dem Ätzmittel "Colorochrom" deklariert war. Ein 30-Liter-Behälter war ganz leer, andere unzureichend verschlossen.
Nach ersten Erkenntnissen brachte das Zusammentreffen des Colorochroms mit dem Heptanol und eventuell noch mit Wasser, die gefährliche Mischung zustande. "Im Container könnte sich so das giftige Gemisch gebildet haben, das beim Öffnen des Laderaumes entwichen ist", vermutet einer der Experten. Die defekten Behälter wurden von der Herstellerfirma abtransportiert. Gegen 15 Uhr konnte Entwarnung gegeben werden. Wie es zu dem Austritt der chemischen Stoffe gekommen ist und ob Fahrlässigkeit vorliegt, müssen nun die Kriminalpolizei Lindau und weitere Fachleute untersuchen. "Gefahrguttransporte sind hochkomplizierter Rechtsgrundlagen geregelt, mit denen wir uns jetzt auseinandersetzen müssen", erklärt Thomas Röhl von der Kripo Lindau. wer gegen was in welcher Größenordnung verstoßen habe, könne derzeit nicht gesagt werden.
Bericht: Lindauer Zeitung 2001